MUT : BRIEF #01 - los geht's!

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# SEELSORGE : ANDERS

MUT : BRIEF #01 - los geht's!

HEUTE, Mittwoch, 25. März, startet Pfarrerin Susanne Marie Koschmider die Reihe "MUT : BRIEFE" im Frühjahr 2020. "Be-HERZ-t unterwegs" heißt diese erste Ausgabe der neuen Reihe.

In den folgenden Wochen werden verschiedene hauptamtlich und ehrenamtlich Mitarbeitende weitere MUT : BRIEFE verschiedenster Art verfassen.

Der Brief vom 25. März

Verschiedenste Nachrichten erreichen mich in diesen Tagen aus der Gemeinde: Vom "täglichen ,freak-out' voller Sorgen" berichtet der Eine, die Andere von nächtlichen Schlafstörungen, in denen Alles an die Oberfläche kommt. Ich höre von Menschen, denen die Entschleunigung dieser Wochen gut tut. Und ich lese von Solchen, die betont "überhaupt keine Panik" haben. Von wachsender Gemeinschaft auf gebotenem Abstand und von schmerzlichem Vermissen. Eine große Bandbreite von Gefühlen und Gedanken.

Ich selbst erlebe Schwankungen. Allerdings betreffen sie gar nicht so sehr die so genannte "Corona-Krise". Eher geht es um die Kraftreserven, mit denen ich die neue Situation und ihre neuen Rahmenbedingungen neu sortiere. Mal sprudle ich vor Ideen, dann wieder spüre ich, wie platt ich von der neuen Arbeit und plötzlichen digitalen Vielspurigkeit bin ... und dass ich dabei mal wieder mich selbst außer Acht gelassen habe. Da kam mir ein Impuls aus meinem "Fasten-Wegweiser 2020" (Andere Zeiten) gestern gerade richtig.

"wandeln" heißt dieser kleine unaufdringliche Kalender für die Passionszeit seit 2015. Meistens geht es um das "VERwandeln". Gestern ging es plötzlich um das "UMHERwandeln" auf ungewohnten Wegen: "Erlaufe dir ein Herz", hieß es. 

Berichtet wurde von einem Experiment, das mich gleich inspiriert und dazu noch meine ganze homeoffice-müde Familie in Gang gesetzt hat. Auf unseren Stadtplanausschnitt malen wir - wie vorgeschlagen - freihändig ein Herz. Einzige Einschränkung: Die untere Spitze muss an unserem Zuhause liegen. Dann suchen wir in den genauen Straßenverläufen nach Wegen und Abzweigungen, die möglichst nah an der Herzlinie liegen. Soweit das vorgeschlagene Experiment als Wegweiser für einen ungewohnten Spazierverlauf.

Wir erweitern uns diese Aufgabe für den heutigen ersten MUT:BRIEF. Wir nehmen Fotoapparate mit und gehen auf "unseren ersten Herzausflug". Wir begeben uns auf die Suche nach ermutigenden Spuren. "Um Einsicht, Beherztheit, um Beistand bitten wir..." - diese Liedgebetszeile geht mir dabei immer wieder durch den Kopf "... in Ohnmacht, in Furcht - sei da, sei uns nahe, Gott." Die Worte lenken meine Aufmerksamkeit. Unterwegs entdecken wir mit genau diesem Aufmerksamkeitsfokus konkrete Spuren. 

Zunächst laufen wir von der Deutzer Kirche entlang der Tempelstraße Richtung Poll.

Die "Segen zum Abpflücken" an der Kirchentür sind zum dritten Mal abgeerntet. Im Schaukasten steigt die Zahl der ausgehängten Nachbarschaftsinitiativen. Gleich daneben sieht man, dass auch die Patenschaften für das ,urban gardening' nicht ruhen. 

Das ,bürger'z' ist natürlich geschlossen, aber es liefert weiterhin Mittagessen an alle, die es brauchen - großartig! Einen Riesentopf Suppe zum Abendessen wird auch eine Nachbarin später auf dem Weg der Anderen liefern, mit allem gebotenen Abstand. 

Die teils schon verwitterten Aufkleber an den Fassaden senden kleine Botschaften: "Hier" und "Privatsphäre = Freiheit = Menschenrecht" - beides lese ich völlig neu. 

Die bunten Stromkästen von Fietze Nowitzki fallen noch mehr in den Blick als sonst. 

Mitten auf der autofreien Straße kann plötzlich ein ferngesteuertes Spielzeugauto ungehindert fahren und niemand meckert. 

Weise Worte kleben offensichtlich schon lange an einer kleinen Säule - und plötzlich ist an der sonst für Spaziergänge eher gemiedenen Siegburger Straße Zeit und Muße, sie wahrzunehmen und zu lesen. 

Das lange Fisch-Wandgemälde an der Troisdorfer Straße, an dem sonst hunderte von Autos vorbei auf die Severinsbrücke sausen, hat plötzlich so viel Ruhe wie die Delfine, die in den vergangenen Wochen an den italienischen Küsten gesichtet wurden, weil die "Corona-Pause" ihre Nebenwirkungen zeigt. 

Die Blumen auf den Wiesen sind nicht zertrampelt (dafür fehlt das Lachen der Kinder). Immer wieder stehen auf Fensterbrettern kleine Töpfe mit bunten Frühlingsblumen wie eine kleine Brücke zwischen den Welten. 

An eine graue Betonwand steht "Liebe du Arsch" geschrieben - ich bin noch unentschieden, ob ich das ermutigend finde, aber aussortieren kann ich diesen Eindruck auch nicht einfach so... 

Am Düxer Bock halten sich die Menschen an die Abstandsregeln, die Tische und Stühle sind alle noch da und weisen einladend in die Zukunft, wenn dieser Begegnungsort wieder belebt sein darf. 

In einem Fenster klebt der Hinweis "3. Fernseher mit Receiver zu verkaufen" - vielleicht kann ihn jemand gerade besonders gut gebrauchen?! 

Zurück bei uns im Hof: Hier haben wir mit Straßenkreide eine kleine ,Tankstelle' aufgemalt. Da kann man auf dem Weg zurück von der Mülltonne einmal kurz stehen bleiben, innehalten, Frühling tanken, Nachbar*inne*n winken.

Wir sind wieder zuhause in der Herzspitze angekommen. 

Wenn man den Weg einzeichnet, den wir gegangen sind, hat das Herz auf dem Plan einen Knick.

Passt ja irgendwie in unsere Zeit.

Aber unsere leicht geknickten Herzen sind nun voll von ermutigenden kleinen inneren Bildern. Ein Vorrat für diese Woche.

Es gibt noch ein anderes Lied. Das kommt mir jetzt in den Sinn: "Wir haben Gottes Spuren festgestellt auf unsern Menschenstraßen...". Das war bestimmt nicht der letzte Herzausflug!

Mögen Gottes Spuren auch Eure Wege kreuzen, Eure Schritte begleiten, Eure Herzen heilen. Bleibt behütet und beherzt. Ob unterwegs oder zuhause!

Susanne Marie Koschmider, Pfarrerin (Antwort möglich an: susanne.koschmider@ekir.de)


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